Von den Karpaten nach Belgrad - entlang der Theiß durch die Pannonische Tiefebene

Fix durch die Slowakei…

Nach einer schnellen Abfahrt vom Laborecký-Pass landeten wir auf der slowakischen Seite in der Region von Medzilaborce. In diesem Gebiet lebt die Minderheit der Russinen, deren Sprache mit dem Ukrainischen verwandt ist, weshalb die Ortschilder hier auch zweisprachig ausgeführt sind. Vor etwas über 100 Jahren wanderte ein Ehepaar aus der hier ansässigen russinischen Familie Warhola in die Vereinigten Staaten aus, deren in Pittsburgh geborener Sohn Andrew einmal eine der bedeutensten Persönlichkeiten der New Yorker Kunstszene werden sollte. Entsprechend stolz sind die Einwohner hier über diese Geschichte, was auch erklärt, warum sich ausgerechnet im 6000-Einwohner-Städtchen Medzilaborce ein recht großes Andy-Warhol-Museum befindet. Neben vielen originalen Arbeiten von ihm sind auch Exponate zur Geschichte seiner Familie ausgestellt, weshalb sich der Besuch hier lohnt. Unser weiterer Aufenthalt in der Slowakei war eher kurz, da wir das Land direkt von Nord nach Süd durchquert haben. Durch die sanfte Hügellandschaft der Karpaten ging es hinein in die weite Pannonische Tiefebene.

Entlang der Theiß durchs flache Land…

Nach der Grenze zu Ungarn (übrigens unsere vorerst letzte “grüne” Schengen-Grenze…) merkten wir recht schnell, dass wir weiter nach Süden vorgestoßen sind - Wein- und Obstanbau säumten die Straßen, sodass wir uns an das Etschtal in Südtirol erinnert fühlten. Dazu trugen auch die oft guten Radwege bei, welche hier im Rahmen der EuroVelo 11 angelegt wurden. Generell waren wir von der regen Fahrradnutzung in Ungarn positiv überrascht (in vielen Dörfern war das Rad das häufigste Transportmittel auf den Straßen!), da dies einen deutlichen Kontrast zur Slowakei und Polen darstellt! Alle Arten von Menschen fuhren hier alle Arten von Fahrräder, sehr schön! Die Radroute verlief oft auf der Deichkrone entlang der Theiß, weshalb wir eine gute Übersicht über die einige Meter unter uns liegende Umgebung hatten. Die erhöhte Position war auch gut geeignet, die unzähligen Rehe und Feldhasen zu beobachten, welche entlang der Deichwiesen leben. Dort, wo die Wiesen am Wegesrand nicht gemäht wurden, konnten wir außerdem eine rege Insektenwelt erleben, wie wir sie lange nicht gesehen haben. Hier muss man wirklich darauf achten, mit dem Rad nichts plattzufahren… Die Sonne brannte in der endlosen Ebene ohne Unterbrechung, weshalb jede Art von Schatten (welcher oben auf der Deichkrone meistens fehlt…) zu einem wichtigen Kriterium für die Mittagspausen wurde. Von der Theiß machten wir einen Abstecher in den Nationalpark Hortobágy. Hier findet keine intensive Landwirtschaft statt, weshalb die Vegetation und Tierwelt der ursprünglichen Flora und Fauna der Puszta, dem westlichsten Ausläufer des eurasischen Steppengürtels, ähneln. Durch die Abwesenheit größerer Siedlungen ist hier außerdem die Lichtverschmutzung relativ niedrig, weshalb der Nationalpark bei Hobbyastronomen beliebt ist. Wir haben sogar an einer “Stargazing-Führung” der Nationalparkverwaltung teilgenommen, allerdings hatten wir leider nicht ganz optimale Beobachtungsbedingungen. Weiter entlang der Theiß ging es dann bis Szeged, wo auf engem Raum viele sehr schöne Gebäude im Art-Nouveau-Stil konzentriert sind. Ein herzliches Dankeschön gilt hier unserer Warmshowers-Gastgeberin Zsófi, bei welcher wir in Szeged untergekommen sind! Hier trafen wir auch Jonathan aus Frankreich, der die serbische Strecke nach Belgrad über Novi Sad gerade in umgekehrter Richtung gefahren ist und nun weiter nach Norden fährt - wir wünschen ihm stets Rückenwind!

Durch die Vojvodina bis nach Belgrad…

In Serbien setzt sich die Pannonische Tiefebene in der Region Vojvodina fort. Die Grenze von Ungarn nach Serbien war die erste auf unserer Reise, über welche wir nicht einfach so rüber rollen durften. Der Schengen-Raum ist vorbei. Wir hatten uns aber einen kleinen Grenzübergang ausgesucht (Tiszasziget/Dala), an welchem erfreulicherweise keinerlei Wartezeiten entstanden. Das Radfahren durch die Vojvodina macht Spaß - die Leute sind sehr herzlich, die kleinen Städte und Dörfer recht hübsch und die Straßen gut! In der landwirtschaftlich geprägten Ebene war Schatten leider auch recht selten, aber in den Dörfern findet sich meistens ein schönes schattiges Plätzchen. In Novi Sad erreichten wir wieder die Donau und unseren nächsten “Wendepunkt”, denn ab hier ändert sich unsere primäre Reiserichtung wieder von Süd auf Ost! An einem Tag ohne Radfahren genossen wir auf der Festung Petrovaradin gutes Essen bei toller Aussicht - sehr empfehlenswert, wenn man in diese Stadt kommt! Von Novi Sad aus folgten wir dann der Donau-Radroute nach Belgrad (den Fluss selber bekommt man auf diesem Abschnitt aber fast nie zu Gesicht). Belgrad ist eine sehr lebendige Hauptstadt mit vielen Parkanlagen, einer alten Festungsanlage und einer weitläufigen Fußgängerzone. Das warme Wetter ließ sich hier gut aushalten! Im Nikola-Tesla-Museum kann man sich übrigens 120.000 V (gefahrlos) in den Finger jagen lassen - wer das schon immer mal machen wollte, ist dort richtig!

Zum Radfahren in den beschriebenen Abschnitten:

Slowakei: In der östlichen Slowakei zwischen Medzilaborce und Michaľany gibt es keinerlei Fahrradinfrastruktur. Dennoch macht das Radreisen hier Spaß, denn die kleinen Landstraßen sind wenig befahren, in gutem Zustand und gehen durch die sehr schöne Hügellandschaft der Karpaten. PKW- und LKW-Fahrer sind zwar nicht übertrieben defensiv unterwegs, aber doch spürbar weniger “energisch” als ihre polnischen Kolleginnen und Kollegen. Zwischen Humenné und Trebišov mussten wir teilweise auf größere Staatsstraßen ausweichen, da es keine sinnvollen Alternativen gab. Wir haben uns aber auch auf den geschäftigen großen Straßen nie unsicher gefühlt.

Ungarn (EuroVelo 11): In Ungarn wird unserer Wahrnehmung nach viel Rad gefahren, vor allem auf dem Land! Entsprechend sicher fühlten wir uns auch auf den Straßen. Die EuroVelo 11 ist in Ungarn sehr gut ausgebaut und verläuft häufig auf der Deichkrone entlang der Theiß. Die Wege sind fast immer asphaltiert, aber auch die unbefestigten Abschnitte sind mit wenigen sehr kurzen Ausnahmen sehr gut befahrbar. (Der Weg vom Deich in den Ort Ópusztaszer nördlich von Szeged kann sich nach Regen in eine kurze, aber wirklich üble Schlammpiste verwandeln (Stand Mai 2022). Hier bei nasser Witterung am besten eher der Landstraße, welche von der Fähre Baks-Mindszent kommt, über Baks nach Ópusztaszer folgen.) Um den Theiß-See (Tisza-tó) wurde ein regelrechter Premiumradweg angelegt, welcher auch rege genutzt wird! Die EuroVelo 11 ist entweder mit älteren oder neueren Schildern als solche markiert. Die Schilder sind aber sehr lückenhaft, weshalb eine primäre Navigation über (digitale) Karten in jedem Fall erforderlich ist.

Serbien: Radreisen in der Vojvodina macht ebenfalls Spaß! Auch im nördlichen Serbien wird viel Rad gefahren, weshalb Fahrräder ein ganz normaler Bestandteil des täglichen Verkehrs sind. Radinfrastruktur gibt es außerhalb größerer Ortschaften kaum oder gar nicht, aber die von uns befahrenen Landstraßen waren immer in gutem bis sehr gutem Zustand. Die von uns befahrene Straße zwischen Temerin und Novi Sad ist sehr verkehrsreich, aber leider exisitert keine wirklich sinnvolle Alternative. Ebenso ist es schwierig, im Großraum Belgrad dem dichten Verkehr auszuweichen, wenn man sich von Westen der Stadt nähert. Kein Genussradeln, aber unsicher haben wir uns auf den serbischen Straßen nicht gefühlt.

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Von Belgrad nach Istanbul - durch Antezedenzen und Tiefebenen ans Ende Europas

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Von Danzig in die Karpaten - unterwegs auf der “Green Velo”