Vom Chiemsee nach Prag - der Anfang der “kleinen Runde” ist geschafft!
Endlich ging es los…
… denn alles andere hätte uns auch langsam aber sicher verrückt werden lassen! Man glaubt gar nicht, wie komplex die Vorbereitungen für diese Reise werden konnten und in was für Details man sich verloren hat. Sonja saß in der Nacht vor der Abfahrt noch gegen 5 Uhr morgens auf dem Boden des Badezimmers am Laptop, um Datensicherungen durchzuführen… Als wir dann am 12.03. morgens endlich auf den beladenen Rädern saßen, fiel daher bei aller Ungewissheit über das was folgen wird eine riesige Last von unseren Schultern. Wenn man erst einmal unterwegs ist, erscheinen viele Kleinigkeiten plötzlich nicht mehr so relevant! Beim Start von Staudach-Egerndach über Bergen zum Chiemsee wurden wir tatkräftig von Sonjas Familie begleitet - eine sehr schöne Geste, welche den Abschied sicherlich ein klein wenig leichter gemacht hat! Das Wetter spielte ebenfalls mit, sogar so gut, dass wir uns schon am ersten Tag etwas Sonnenbrand im Gesicht holten. Vom Nordende des Chiemsees ging es über den Alz-Radweg in Richtung Inn. Diese Radroute war durchweg sehr gut befahrbar, insbesondere der naturnahe Abschnitt zwischen Trostberg und Förgenthal und später im Holzfelder Forst sagte uns sehr zu! Erstes Etappenziel unserer Reise war dann Marktl, wo die Alz in den Inn mündet. Am deutlich größeren Inn bleibt uns das sonnige Wetter erhalten, welches allerdings auch einen kühlen Ostwind mit sich bringt, der uns etwas bremst. Der Inn-Radweg verläuft bis vor Schärding oft auf langen Deichwegen, welche insbesondere bei Gegenwind etwas öde werden können. Andererseits beschwert man sich oft auch über Flussradwege, die nicht am Fluss verlaufen, von daher sollten wir uns nicht beschweren. Ein wegtechnisches Highlight vor Passau war dann der Durchbruch des Inns zwischen Vornbach und Neuburg am Inn (Vornbacher Enge): in einem eingeschnittenen Flusstal geht es auf einem spannend zu fahrenden Weg durch eine Felsenlandschaft – sehr schön!
Wer einen Hügel runterfahren möchte, muss erst einmal hoch…
Von Passau aus folgten wir zunächst der Donau etwa 50 Kilometer flussabwärts hinein nach Österreich. Um zur nördlich verlaufenden Moldau zu gelangen, muss man das Donautal verlassen und durch das Mühlviertel hindurch in den Böhmerwald fahren. Dazu hatten wir uns für die auf radreise-wiki.de unter “Moldau - Donau” beschriebene Strecke von Obermühl an der Donau über Hühnergeschrei (heißt wirklich so…), Rohrbach und Aigen zum Moldaustausee (Stausee Lipno I) entschieden. Leider verkehrt die Fähre bei Obermühl erst ab April (das halbe Jahr lang nicht nutzbar, sehr schade), weshalb wir auf die Donaubrücke bei Aschach angewiesen waren, um auf das linke Donauufer zu gelangen. Von dort fuhren wir auf der L1507 endlich in Richtung Norden. (Von der L1507 müssen wir rückblickend aber für die Befahrung mit Reiserädern dringend abraten - eine Straße wie eine Zahnarztbehandlung mit nachlassender Betäubung, obwohl es sich eigentlich um eine Nebenstrecke handelt: unzählige Sattelzüge quälen sich steile Anstiege hoch, dazwischen überholen PKW irgendwie, um durchzukommen…) In Sankt Martin fanden wir dann erschöpft und abgekämpft zunächst keine Übernachtungsmöglichkeit, aber glücklicherweise rettete uns das örtliche Gasthaus Wöhrer mit einem Mattenquartier aus unserer Not. Bei Aigen folgte dann der Anstieg in den Böhmerwald - eine gar nicht mal lange, aber durchweg steile Steigung. Oben angekommen erreichten wir Tschechien. Die Landschaft wechselt hier mit einem Mal deutlich. Plötzlich lag noch überall Schnee, statt Feldern und Weiden dominierten dichte Nadelwälder und die Straßen waren so gut wie leergefegt, was zum Radeln natürlich ungleich angenehmer war! Diese Naturbelassenheit auf tschechischer Seite erklärt sich sicherlich auch dadurch, dass das Südufer des Moldaustausees bis zum Ende des Eisernen Vorhangs Sperrgebiet war.
Hügelig weiter bis nach Prag
Der obere Teil des Moldau-Radwegs von der Staustufe Lipno nach Český Krumlov über Vyšší Brod war ein radfahrerisches Highlight! Dicht entlang des zunächst noch kleinen Flusses über einen Waldweg, später auf einer einsamen kleinen Landstraße am weiteren Oberlauf (und damit wichen wir von der eigentlichen Wegführung des Moldau-Radwegs ab, welcher hier über Forststraßen mit steilen Anstiegen geleitet wird). Unterwegs lagen zahlreiche Burgen und Schlösser in Flussnähe, was immer wieder für schöne Fotomotive sorgte. Über kleine Anstiege, Felder und Dörfer ging es weiter nach Budweis. Dort war - da Universitätsstadt - eine richtige kleine Fahrradkultur beobachtbar, womit sich die Stadt deutlich von ihrer Umgebung unterscheidet. Der Moldau-Radweg zwischen Budweis und Prag führte nur noch sehr selten wirklich am Fluss entlang. Die sehr zahlreichen Höhenmeter (nie lange Anstiege, aber in der Summe schlauchen sie…) auf teilweise fragwürdigen Waldwegen animierten uns mehrfach, das Streckenprofil mittels Ausweichen auf kleinere Landstraßen etwas zu “schleifen”. In Prag wiederum begrüßte uns ein echter Premiumradweg direkt am rechten Moldauufer, welcher uns unmittelbar ins Stadtzentrum führte. Wie schon an den Abenden davor genossen wir dann die reichhaltige tschechische Küche (abnehmen kann man auch später) und sammelten Kräfte für die nächsten Wege!
Einiges zur Wegführung entlang der Moldau
Markierungen: die Moldau-Radroute ist aktuell (März 2022) weitgehend einheitlich als Route Nr. 7 ausgeschildert (gelbe Zeichen). Im Großraum Prag wird die Kennzeichnung “A2” verwendet. Lediglich südlich von Prag bis Klučenice fehlt eine einheitliche Nummerierung, stattdessen folgt die Moldau-Route hier unterschiedlichen lokalen Radrouten und ist an blauen oder weißen Dreiecken an den jeweiligen gelben Zeichen erkennbar. Ab und zu bestehen Lücken der Beschilderung, weshalb eine zusätzliche Navigation mittels Karten oder GPS sinnvoll ist.
Alternative Strecken: die offizielle Moldau-Radroute ist sehr zurückhaltend gelegt was Straßen mit Autoverkehr betrifft, was sicherlich vielen Radreisenden zusagen wird. Allerdings bringt die offizielle Wegführung sehr viele “unnötige” Höhenmeter mit sich, welche sich zudem teilweise auf Forstwegen mit fragwürdiger Befahrbarkeit verteilen - mit voll beladenen Reiserädern nicht wirklich empfehlenswert, und eigentlich sind wir da nicht sonderlich pingelig… Daher haben wir folgende “Glättungen” des Streckenprofils gewählt:
Zwischen Vyšší Brod und Český Krumlov: auf den Landstraßen Nr. 163 und 160 - wunderschöne Straßen direkt am Fluss, kaum Höhenmeter, kaum nennenswerter Verkehr (werktags, März). Wir können nur vermuten, dass hier im Sommer erheblich mehr Verkehrsbelastung vorliegen muss, andernfalls ist es uns unklar, warum diese Straßen nicht teil der offiziellen Radroute 7 geworden sind.
Zwischen Krásná Hora nad Vltavou und Prag: auf unterschiedlichen Landstraßen, siehe dazu “Stage 7” in unserem Komoot-Profil. In diesem Bereich wirkt die Streckenführung der Moldau-Route leider nicht wirklich sorgfältig durchdacht, zumindest nicht mit Hinblick auf beladene Reiseräder. Wir haben daher in den sauren Apfel gebissen und sind von Krásná Hora nad Vltavou bis nach Prag weitgehend über kleinere Landstraßen gefahren, welche jedoch nicht allzu viel Verkehr aufwiesen (werktags, März). Wirkliches “Genussradeln” war das aber natürlich auch nicht.