Über das Wiederankommen nach zwei Jahren Weltumrundung
Am Anfang stand die Resozialisierung…
“Kann man eigentlich nach zwei Jahren Weltreise überhaupt wieder in ein normales Leben zurückkehren?”
Diese Frage habe ich sowohl während der Reise als auch danach vergleichsweise häufig gestellt bekommen. Meiner Wahrnehmung nach trägt auch genau diese Frage bei einigen Leuten dazu bei, das Unterfangen einer längeren Reise gar nicht erst anzugehen. Ich möchte daher hier nun - fast ein Jahr nach Abschluss meiner Weltumrundung - einen kleinen Einblick bieten, wie das Wiederankommen bislang abgelaufen ist.
Es ist natürlich ein sehr individueller Prozess und andere Langzeitreisende werden auch andere Erfahrungen gemacht haben, aber einige vielleicht auch ganz ähnliche. Wollte ich denn überhaupt nun freiwillig in einen “normalen Alltag” zurückkehren? Ja, sehr sogar. Denn auch wenn ich das Vorhaben der Weltumrundung bis zum Schluss in vollen Zügen bewusst erlebt und gemocht habe, wollte ich dieses Projekt dennoch zu einem Abschluss führen. Denn schon einige Monate vor Ende der Reise hatte ich in manchen Augenblicken das Gefühl, dass jemand den “Pause-Knopf” in meinem Leben gedrückt hätte. Selbst wenn man mir anschließend den gleichen Job und alle Mittel für ein drittes Jahr Weltreise angeboten hätte: ich hätte ablehnen müssen, da ich dafür nicht die notwendige Motivation hätte aufbringen können.
Womit wir auch beim ersten Thema wären: Jobsuche. Ich hatte dabei riesiges Glück. Wirklich riesiges Glück. Denn ich konnte das Vorstellungsgespräch für meine neue Anstellung, welche zudem hervorragend auf meine bisherigen Erfahrungen und Qualifikationen passt, in digitaler Form noch während meiner Radreise durchführen. Von einem Hotelzimmer in der nordspanischen Kleinstadt Tordesillas aus ließ sich alles regeln. Dafür, dass dies so dermaßen reibungslos verlaufen ist, bin ich sehr dankbar. Und ich weiß aus Gesprächen mit anderen ehemaligen Langzeitreisenden, dass dies alles andere als selbstverständlich ist. Aber dennoch haben alle mir bekannten Ehemalige, die ebenfalls bis zu zwei Jahre lang unterwegs waren, letztendlich immer eine passende Anstellung gefunden. Es mag sein, dass es Berufsfelder gibt, in denen man nach zwei Jahren Abwesenheit “raus” ist. In vielen, wenn nicht vielleicht sogar den meisten, Berufen dürfte dies allerdings nicht so sein, auch wenn wir uns vielleicht manchmal etwas anderes einreden, um den eigenen Job spannender erscheinen zu lassen, als er eigentlich ist. Vielleicht hilft denjenigen, die zweifeln, ob sie nach einer Langzeitreise wieder zurück ins Berufsleben finden könnten, folgende Frage weiter: “Habe ich vor zwei Jahren in meinem Beruf mit gänzlich anderen Mitteln und Vorgehensweisen gearbeitet als jetzt?” In sehr vielen Fällen dürfte die Antwort ein “Nein” sein. In diesem Fall muss einen die Frage, ob man wieder einen Einstieg finden würde, nicht notwendigerweise vom Projekt Langzeitreise abhalten.
Das Fahrrad und die kranke Versicherung…
Seit Juni pendle ich wieder also wieder jeden Werktag ins Büro. Ganz klassisch nine-to-five. Und ich mag es. Aufgrund der Länge meines Arbeitswegs kneife ich, wenn es in Strömen regnet oder glatt ist, und nehme dann die öffentlichen Verkehrsmittel. Ansonsten bin ich immer noch dabei, die Fahrradrouten zur Arbeit zu optimieren. Mein Stadtfahrrad, welches zwei Jahre Pause hatte, hilft mir bei diesen Erkundungen.
Und das Weitreiserad namens “Kamel”? Das ist ein ganz eigenes Kapitel, welchem ich bald einen eigenen Blogbeitrag in der Ausrüstungsrubrik widmen werde. Denn auch wenn es insgesamt über 40.000 Kilometer gute Dienste geleistet hat und währenddessen auch recht regelmäßig gewartet wurde, standen nun einfach unvermeidliche Grundsanierungen an. Der Umstand, dass das Rad an Sumatras Westküste tagelang einer Art Salzsprühnebel ausgesetzt war und dann auf dem Bug eines kleinen Bootes zwischen zwei Inseln des Fidschi-Archipels ein paar mal in schwerem Seegang in den Pazifik getaucht wurde, hat durchaus Spuren in Form von Korrosion an unerwarteten Stellen hinterlassen. Der Rahmen ist zwar in Ordnung, aber beispielsweise ist die Klemmung des Schaltgriffes teilweise durch auskristallisiertes Salz gesprengt worden. Dazu aber wie gesagt zu einem späteren Zeitpunkt mehr…
Ich möchte dann gern noch kurz etwas zum Thema Krankenversicherung schreiben, denn dort erwartete mich eine kleine Überraschung. In Deutschland gilt ja aus guten Gründen die Regel, dass jeder Mensch krankenversichert sein muss. Während einer Langzeitreise nutzen einige Leute spezialisierte Reiseversicherungen, welche entsprechend Laufzeiten von bis zu mehreren Jahren haben und in der Regel nur außerhalb des Heimatlandes gelten. Nach meiner Rückkehr wurde ich zunächst von der gesetzlichen Krankenversicherung, bei welcher ich vor Beginn der Reise jahrelang versichert war, abgelehnt, da mir eine Anwartschaftsversicherung während der Reise fehlte (jene wäre recht kostspielig gewesen). Erst bei Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung konnte ich dann letztendlich wieder in die GKV zurückkehren. Es war eine Sachbearbeiterentscheidung und ich habe von einem Fall gehört, in welchem bei ziemlich identischen Voraussetzungen genau gegenteilig entschieden wurde. Vielleicht entscheidet am Ende einfach das Glück, an wen der Antrag gerät.
Es warten wieder neue Abenteuer…
Das Ende einer Langzeitreise um die Welt ist aber natürlich nicht das Ende des Reisens an sich. Ganz neue Abenteuer warten. Über den Jahreswechsel ging es auf eine Städtereise per Zug von Berlin nach Prag, Bratislava und Wien und dann wieder zurück. Aber ich war nicht alleine unterwegs. Letztes Jahr habe ich in Berlin Eva kennengelernt. Und nun ging es für uns gemeinsam auf diese winterliche Erkundung dreier Hauptstädte. Zunächst nahmen wir den EuroCity von Berlin nach Prag. Die Stadt ist sicherlich immer ein Touristenmagnet, aber nun um den Jahreswechsel waren die Fußgängerzonen besonders überlaufen. Wir machten aber auf unseren Stadtspaziergängen das beste daraus. Und Eva hat ein hervorragendes Gespür dafür, welche Kunstausstellungen sich besonders lohnen könnten. In Prag fand sie eine Sonderausstellung mit beeindruckenden Installationen der Wahlberlinerin Chiharu Shiota.
Durch eine winterliche, frostige Landschaft fuhren wir dann nach ein paar Tagen mit dem EuroCity nach Bratislava weiter. Hauptsächlich deshalb, weil in Prag für die Silvesternacht keine bezahlbare Unterkunft zu bekommen war. “It’s good that you came in summer. In winter it can get very depressing.” Diesen Satz bekommen vier amerikanische Touristen, die sich im Film “EuroTrip” nach Bratislava verirrt haben, von einem Einheimischen zu hören. Bei der spätabendlichen Ankunft am Hauptbahnhof musste ich dann auch in der Tat unweigerlich an diese Filmszene denken. Aber in den folgenden Tagen entdeckten wir dann doch einige schöne Stellen in dieser Stadt.
Wieder ein paar Tage später beobachteten wir, wie Venus und Mond ganz nach beieinander über dem dem Zug nach Wien standen. An der zweiten Station an der Donau zog es uns vor allem zu Kunstwerken von Gustav Klimt und in die Kaffeehäuser. Gerade letztere sind ein ganz ausgezeichneter Rückzugsort, wenn draußen die Minusgrade herrschen. Zum Schluss ging es mit dem Nachtzug von Wien nach Berlin zurück. Wir hatten ein klassisches Sechserabteil, in welchem die Sitze so nach vorne geschoben werden können, dass eine Liegefläche für zwei Personen draus wird. Ab und zu wurde ich während der nächtlichen Fahrt wach, entweder weil der Zug in einem Bahnhof hielt oder die slowakische und tschechische Polizei die Wagen kontrollierten. Bei der Grenzkontrolle nach Deutschland fand man uns wohl schlafend vor, weckte uns aber nicht.
Kann man also nach einer zweijährigen Weltreise wieder ankommen? Kann man. Ich bin sehr dankbar für so vieles, was seitdem geschehen ist. Dafür, dass ich wieder gut ins Berufsleben starten konnte, dafür, dass mich meine neuen Kolleginnen und Kollegen so toll aufgenommen haben, dafür, dass ich Berlin nun ganz neu erkunden kann und für die Wärme und Geborgenheit, die ich nun bei Eva finde. Ich hatte fast schon unverschämtes Glück in Bezug auf viele Aspekte. Aber ich glaube trotzdem fest daran, dass die “Angst vor dem Danach” nicht von einer Langzeitreise abhalten sollte. Und vielleicht genauso wichtig: diese Angst sollte auch nicht die Gedanken während der Reise eintrüben. Letztendlich wird die Landung mit großer Wahrscheinlichkeit viel weniger hart sein, als man es vielleicht befürchtet hatte.
Nun warten aber die nächsten Entdeckungsreisen auf ihre Planung…